Was versteht man unter Personifikation? Das ist „in der Stilistik die Darstellung eines Gegenstandes als eine menschliche Gestalt.[…] Die P. ist ein Spezialfall der Anthropomorphisierung, bei der ein unbelebter oder tierischer bzw. pflanzlicher Gegenstand Züge des Menschlichen erhält.“
Dieser Definition des MLL, welche die gängige Sichtweise zusammenfasst, liegt ein folgenschwerer Irrtum zugrunde. Ihr zentrales Begriffspaar ist Gegenstand und Mensch, mit der Maßgabe, dass der Mensch mit Gegenständen zu tun hat, mit ihnen hantiert, das Subjekt mit den Objekten. Dabei wird verkannt, dass Dinge als Gegenstände zu betrachten und zu behandeln nicht einfach natürlich, sondern das Ergebnis eines langen kulturellen Abstraktionsprozesses ist: Ein Gegenstand ist etwas, zu dem wir ein Ding machen, indem wir es dem messenden Betrachten unterwerfen. Das kann man in Ernst Cassirers „Philosophie der symbolischen Formen“, vor allem in den beiden ersten Bänden nachlesen.
Am Anfang der Begegnung von Mensch und Welt steht vielmehr, dass die Dinge als eigenständige Wesen ihren Ausdruck haben und auf den Menschen Eindruck machen und dass es ihm erst durch die Sprache, die Namen gelingt, den Dingen eine feste Gestalt zu geben. Die Dinge begegnen zunächst wie Personen, sie machen Eindruck und tragen nicht nur Züge des Menschen, sondern auch des Übermenschlichen. Und selbst heute können wir unseren Blick vom Gegenstand lösen und uns seinem Ausdruck hingeben, auf dass er Eindruck auf uns mache: etwa wenn eine Tierherde nicht mehr als Lieferant von Schlachtfleisch und Schlachtprämie gesehen wird, sondern als eine stürmende Gruppe wilde Tiere gefürchtet, oder wenn der Sonnenuntergang nicht als Ergebnis der Erddrehung verstanden, sondern als Verschwinden des Lichts erlebt wird.
Deshalb müssten die Schüler im Unterricht dahin geführt werden, dass sie sich dem Eindruck von Personifikationen hingeben könnten, statt sich in die Floskel zu flüchten, da werde bildhaft gesprochen, „damit man sich das besser vorstellen kann“.