Übersicht über verschiedene Übersichten:
Phasen der Sprachentwicklung bei Kindern
Das Kind wendet sich der Sprache zu und reagiert auf Ansprache. Es drückt seine Bedürfnisse durch unterschiedliche Formen von Schreien aus.
Das Kind hat Freude am Hervorbringen unterschiedlichster Lautkombinationen und Laute.
Das Kind produziert jetzt Laute, die der Muttersprache (den Sprachen der Eltern) ähnlich sind, es führt Lallmonologe und Lalldialoge (Selbst- und Fremdnachahmung, Einüben von Bewegungsmustern). Das Sprachverständnis beginnt sich zu entwickeln (reagiert auf seinen Namen, Verbote u. ä.).
Meilenstein: 50-Wort-Grenze
Die Wörter sind zum Teil "Babywörter".
In manchen Wörtern werden Laute ausgelassen oder durch für das Kind leichtere ersetzt.
Meilenstein: Wortschatzspurt
Wortverknüpfungen (Zweiwortsätze). Die Wörter werden vom Kind zum Teil vereinfacht oder abgewandelt.
Hauptsätze können richtig gebildet werden. Die Verben werden häufig richtig gebeugt. Die Kinder können alle Laute einzeln richtig sprechen.
Die Kinder erweitern die Sätze und können die Fälle richtig anwenden. (Verwechslungen von 3. und 4. Fall können noch vorkommen.)
Warum-Fragen treten auf. Sie verstehen zweiteilige Anweisungen. Die Aussprache der meisten Laute gelingt gut. Schwierige Wörter können noch nicht immer richtig ausgesprochen werden.
Die Kinder verwenden Nebensätze.
Die Kinder haben einen Wortschatz, mit dessen Hilfe sie sich über viele Themen unterhalten können. Ihr Sprachverständnis hat sich so weit entwickelt, dass sie alles verstehen können, was mit ihrem Leben im Zusammenhang steht und ihrer Denkfähigkeit entspricht.
Das Kind kann sich ohne Schwierigkeiten verständigen. Es spricht im Wesentlichen verständlich und grammatisch korrekt. Es erweitert seinen Wortschatz ständig. Es kann mit anderen Kindern und Erwachsenen diskutieren.
Phasen des kindlichen Spracherwerbs |
Beginn (Jahre) | Stadium | Kennzeichen |
0,5 | Lallphase | Lautreichtum ohne sprachliche Form |
1 | holophrastische oder Einwortphase | (1 Silbe =) 1 Wort = 1 Satz |
2 | Zweiwortphase | Informationsstruktur (Topic – Fokus) |
2,5 | Telegrammstil | unvollkommen ausgebildete Grammatik |
5 | normale Sprache | einfache, aber überwiegend richtige Sprache |
Vorstufen des Spracherwerbs
Schreien
Explosivlaute oder Gurren
Lallen
Stadien des Spracherwerbs
Einwortphase
Zweiwortphase
Mehrwortsätze
Es fragt nach dem „warum, wann und wie lange“
Kinder lernen sprechen
Im Verlauf des kindlichen Spracherwerbsprozesses lassen sich einzelne Meilensteine ableiten.
1. bis 12. Lebensmonat
Kinder beginnen bereits im Mutterleib Sprache zu erwerben und verfügen bei der Geburt über einige sprachliche Fähigkeiten. Das erste Lebensjahr ist dominiert vom Lallen, dem Beginn des Sprachverständnisses und den ersten Wörtern ( = lautliche Formen mit konkreter Bedeutung), welche im Alter zwischen 10 und 12 Monaten auftreten. Zu den ersten Wörtern zählen in vielen Sprachen Mama und Papa, was ein universelles Phänomen zu sein scheint. Meist entsprechen die ersten Wörter des Kindes nicht der Form, wie sie Erwachsene aussprechen, was ganz typisch für dieses Alter ist.
1. bis 2. Jahr
Mit dem ersten Wort beginnt die Phase der Ein-Wort-Äußerungen. Kinder beginnen nach und nach ihren Wortschatz zu erwerben. Im Alter zwischen 18 und 24 Monaten sollten Kinder über etwa 50 aktive Wörter verfügen. Im Anschluss daran setzt die Phase der Zwei-Wort-Äußerungen ein, in der Kinder beginnen, zwei Wörter miteinander zu verbinden, was die Erweiterung der kindlichen Ausdrucksmöglichkeit bedeutet. Wortkombinationen wie
Papa schlafen, Ball oben, Hund Ball oder Mama da treten auf. Das kindliche Lexikon nimmt nicht nur an Größe zu, sondern wird auch inhaltlich mehr und mehr organisiert.
2. bis 3. Jahr
Der kindliche Wortschatz vergrößert sich fortlaufend und Kinder beginnen mehr als zwei Wörter miteinander zu kombinieren. Kinder verstehen zunehmend komplexer gebildete Sätze. Die einzelnen spezifischen grammatischen Strukturen bzw. Regeln der Zielsprache werden nach und nach abgeleitet und folglich erworben, z.B. Das Auto ist zugeschlüsselt (abgesperrt), Ich bin ein Augenzahnarzt, aber auch Äußerungen wie Kann ich dann die Knöpfe zumachen oder Paul ist bei der Oma.
3. bis 4. Jahr
Kinder produzieren vollständige Sätze. Neben Hauptsätzen wie Der Hund spielt mit dem Ball oder Mama trinkt Kaffee lassen sich auch Nebensätze wie
Ich renne, weil es regnet beobachten. Grammatische Fähigkeiten wie die Mehrzahlbildung (Häuser, Blumen, ...) oder die Markierung von Fällen (dem Mann, den Hund, ...) werden häufiger korrekt produziert.
ab 4 Jahren
Bis zum 4. Lebensjahr haben Kinder die meisten sprachlichen Komponenten der Sprache(n) ihrer Umgebung erworben. Der Spracherwerb gilt damit als großteils, aber noch nicht vollständig abgeschlossen. In den folgenden Jahren erlernen Kinder noch weitere teils sehr komplexe und schwierige Aspekte sprachlicher Strukturen, beispielsweise Passivsätze wie Die Hose ist vom Hund zerrissen worden oder Strukturen wie Der Ball muss über den Zaun geflogen sein.
Der Spracherwerb gilt erst dann als vollständig abgeschlossen, wenn Kinder über die Fähigkeiten von Lesen und Schreiben verfügen, welche mit Beginn der Schulzeit erlernt werden. Damit vollzieht sich der Spracherwerbsprozess über einen langen Zeitraum. Eine unauffällige Sprachfähigkeit stellt die Voraussetzung für jeglichen schulischen wie auch weiteren ausbildungsmäßigen Erfolg dar.
Bernd Reimann: Kurzdarstellung des Spracherwerbs
Geburt
Das neugeborene Kind verfügt bei der Geburt über die universelle Fähigkeit, wesentlich mehr Phoneme (etwa 70) unterscheiden zu können, als die, die für die eigene Muttersprache typisch sind (im Deutschen etwa 40). Nach der Geburt beginnt eine rege kommunikative Interaktion unter Einbeziehung aller Sinne. Eltern verändern intuitiv ihre Zusprache. Sie nutzen Wachzeiten für „Gespräche", zum Spielen, Schmusen und Umwelterkunden. Über das "bloße" Hören der Sprache der Mutter erhält das Kind grundlegende Informationen über den Aufbau seiner Muttersprache.
Einhör- und Selektionsphase
Regelmäßigkeiten aus den permanent wahrgenommenen Lautstrukturen der Muttersprache werden „herausgefiltert". Laute werden nach Häufigkeit und Ähnlichkeit gespeichert. Das Kind ist in der Lage, Assoziationen zwischen melodisch-rhythmischen Strukturen und kommunikativen Sprachfunktionen auf der Basis der „Säuglingsgerichteten Sprache" (IDS = Infant-Directed-Speech) zu bilden.
6.-9. Lebensmonat
Das muttersprachliche Lautinventar ist im Sprachgedächtnis gespeichert. Als Folge reagieren Säuglinge auch nur auf die bisher in der Muttersprache wahrgenommenen Lautkontraste. Englischsprachig aufgewachsene Säuglinge können z.B. das im Deutschen, aber nicht im Englischen vorkommende lange „ü" vom in beiden Sprachen vorkommenden langen „u" nicht unterscheiden. Sie „wissen" nun auch, dass unterschiedliche Tonhöhenverlaufsfomen in der mütterlichen Sprache (z.B. schimpfendes, bestätigendes, bittendes Sprechen) eine unterschiedliche Bedeutung haben.
Einheitenbildung im Wahrnehmen und Erkennen
Das Kind weiß zunächst noch nichts von den Gegenständen seiner Umgebung. Es muss diese als „Erkenntniseinheiten" in seinem Gedächtnis speichern, damit sich später Wörter darauf beziehen können. Man nennt dies den Aufbau der Objektkonstanz. Als Folge werden z.B. Spielgegenstände als dieselben im unmittelbaren Wahrnehmungsraum wiedererkannt. Aber es gibt noch kein raum- und zeitunabhängiges Existenzbewusstsein von diesen Gegenständen.
Aus der wahrgenommen Sprache werden betonte und/oder am Ende stehende Äußerungseinheiten (Wortteile, Wörter und Wortverbindungen) „herausgehört" und oft nachgeahmt. Diese sind auch häufig diejenigen Einheiten, die den Mitteilungsschwerpunkt tragen.
Ab 11.-13. Lebensmonat
Erste Wörter erscheinen. Das Kind beginnt, eine Beziehung zwischen den Wörtern und der Gegenstandswelt aufzubauen. In der Mitte des 2. Lebensjahres sind sog. Übergeneralisierungen (Bedeutungsüberdehnungen) zu beobachten („Ado" steht z.B. für Autos, Rasenmäher, lose Räder, Ente mit Rädern, Computertisch mit Rädern). Aktionswörter stehen für verschiedene Effekte („alle alle" wird z.B. gebraucht, wenn eine Tasse leer getrunken wurde, ein Gegenstand gesucht wird oder das Kind feststellt, dass sich ein Spielzeugrad nicht mehr dreht).
18. - 20. Lebensmonat: Der Objektbegriff ist vorhanden
Die Gegenstandswelt wird als unabhängig vom Selbst und dem Wahrnehmungsraum erkannt. Es erscheinen erste bedeutungsstabile Wort-Objekt-Zuordnungen, die späteren Substantive; aus Aktionswörtern entstehen erste Verben; das Kind beginnt, in elementaren Formen auf räumlich-zeitlich nicht Präsentes zu verweisen; erste „Ich-Verweise" mit Eigennamen erscheinen. Das Kind initiiert auch nun verstärkt Dialoge und analysiert aufmerksam die im Dialog gehörte Elternsprache.
Grammatikalische Strukturbildung, lautliche Präzisierungen und Bedeutungsaufbau im Dialog
Mütter stimmen den Inhalt ihrer Dialogbeiträge sehr fein auf das momentane Fassungsvermögen ihres Kindes ab, und sie haben ein Gespür für die nächste Entwicklungsphase. Sie (natürlich auch Väter) vermitteln implizit feingefächertes Elementar-Wissen über die Welt, über den Aufbau der Muttersprache und über die Anwendung der Sprache im Dialog.
20.-24. Lebensmonat
Ideen, Wünsche und Erlebnisse werden in Sätzen übermittelt. Die ersten grammatikalischen Morpheme (Flexive) und Funktionswörter erscheinen als satzbildende Elemente. Aber: Jemand, der in der Sprechsituation des Kindes nicht dabei war oder kein Vorwissen über den Inhalt der kindlichen Äußerung hat, kann oft noch nicht das Mitgeteilte verstehen. Die Mutter ist jedoch der perfekte Kenner und deshalb ein wichtiger Promotor der kindlichen Sprachentwicklung.
Ab 28.-30. Lebensmonat
Die ersten grammatikalischen Kategorien (Subjekt, Prädikat) sind entwickelt. Die ersten Kasusflexive erscheinen (Besitzer-Markierung: „Anne's Buch"). Die Dialoge werden umfangreicher, die Themen vielfältiger. Die Mutter greift kindliche Kommunikationsinitiativen auf, reagiert überwiegend bestätigend und geht sparsam mit expliziten Korrekturen um. In der kindlichen Sprache sind noch interessante Assoziationen zu lautlich ähnlichen Wörtern zu beobachten.
36.-40. Lebensmonat
Das Kind hat die elementaren Grundstrukturen seiner Muttersprache erworben. Es spricht und versteht die Sprache im Rahmen seiner näheren Erfahrungswelt.
Schwierige Lautbildungen in der Wortartikulation werden nun fast problemlos bewältigt. In Sätzen geformte Mitteilungen sind weitgehend verständlich, auch wenn der Kommunikationspartner kein Vorwissen vom Mitteilungsinhalt hat.
Das Wissensbedürfnis des Kindes will im Dialog erfüllt werden. Seine „Werkzeuge" sind nun die Warum-Fragen.
Ab dem 4. Lebensjahr
Die Entwicklung sprachlicher Formen und Gebrauchsweisen ist noch nicht abgeschlossen. Obwohl das Kind über einen grundlegenden lexikalischen und grammatikalischen Bestand seiner Muttersprache verfügt, muss es noch zahlreiche Mittel erwerben, um in verschiedensten Anforderungssituationen seiner Lebenswelt schnell und sicher z.B. Mitteilungen über Ereignisse und Erlebnisse zu formulieren. Dazu zählen u.a. lexikalische und grammatikalische Mittel für die Darstellung eines Ereignisses in der Vergangenheit und Zukunft, für die Wiedergabe einer Beziehung der Ursache, der Folge, des Zweckes und des Vergleiches durch den Gebrauch von Neben- und Passivsätzen. Der weitere Erwerb dieser Mittel ist jedoch nicht Selbstzweck, sondern er ergibt sich aus der Notwendigkeit, sich in der Kommunikation verständlich auszudrücken.
Da die Sprache grundlegendes Mittel bei der Gestaltung der sozialen Beziehungen ist, muss das Kind auch weitere Regeln der Sprachanwendung lernen. Dazu gehören u.a. Anredeformen, institutionelle Gebrauchsweisen, Äußerungen, die Höflichkeit ausdrücken und indirekte sprachliche Handlungen.
Der weitere Sprachlernprozess erstreckt sich bis in das Schulalter hinein.
Die Abiturvorgabe für NRW 2017 und 2018 (Grundkurs und Leistungskurs Deutsch) nennt „Spracherwerbsmodelle“. Man muss also neben den Fakten des Spracherwerbs auch verschiedene theoretische Modelle dieses Vorgangs kennen (etwa Ckomsky, Piaget u.a.):